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Vereinbarung zwischen dem Land Berlin, vertreten durch die Senatsverwaltung für Justiz, und der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg, vertreten durch den Präsidenten des Konsistoriums, über die Seelsorge in Justizvollzugsanstalten

Vom 10. Januar 2001

(KABl.-EKiBB S. 38)1#

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Artikel 1

( 1 ) Die Seelsorge in den Justizvollzugsanstalten bildet einen Teil der den Kirchen obliegenden allgemeinen Seelsorge.
( 2 ) Die evangelische Seelsorge in den Justizvollzugsanstalten wird durch Pfarrer, Pfar­rerinnen und andere kirchliche Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen – im Folgenden Gefängnisseelsorger genannt – im Haupt- oder Nebenamt wahrgenommen.
( 3 ) Die Freiheit der Verkündigung und das Beicht- und Seelsorgegeheimnis werden gewährleistet.
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Artikel 2

( 1 ) Die Gefängnisseelsorger stehen im Dienst der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg. Sie unterstehen der Dienst- und Disziplinaraufsicht der Kirche.
( 2 ) Sie sind verpflichtet, bei der Ausübung ihres Dienstes die Bestimmungen über den Strafvollzug und die Untersuchungshaft zu beachten.
( 3 ) Die Gefängnisseelsorger arbeiten in ihrem Dienst mit den Vollzugsbediensteten eigenverantwortlich zusammen. Sie haben das Recht auf Teilnahme an den Dienstbesprechungen und Vollzugskonferenzen. Sie sind bei allen kirchliche Veranstaltungen berührenden Maßnahmen der Anstaltsleitung vorher zu hören.
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Artikel 3

( 1 ) Zu den Rechten der Gefängnisseelsorger gehören die Inanspruchnahme aller Einrichtungen und die Veranlassung organisatorischer Maßnahmen, die geeignet und erforderlich sind, ihre Aufgaben gemäß Artikel 4 zu erfüllen.
( 2 ) Sie haben Anspruch auf die Bereitstellung von Räumen, die für die Ausübung des Dienstes notwendig sind (gottesdienstlicher Raum und Dienstzimmer). Die Planung, Einrichtung und Gestaltung von Gottesdiensträumen in Justizvollzugsanstalten erfolgt durch das Land im Einvernehmen mit der Kirche.
( 3 ) Die Gefängnisseelsorger können im Einvernehmen mit dem Anstaltsleiter freiwillige Helfer, unterstützende Gruppen sowie andere Seelsorger und Seelsorgerhelfer für den Dienst in der Einrichtung hinzuziehen.
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Artikel 4

Die Gefängnisseelsorger haben im Wesentlichen folgende Aufgaben:
  • regelmäßige Abhaltung von Gottesdiensten,
  • Abnahme der Beichte und Spendung der Sakramente,
  • Durchführung von Amtshandlungen aus besonderem Anlass (zum Beispiel Trauungen),
  • Einzelseelsorge einschließlich der Zellenbesuche und der Aussprache mit einzelnen Gefangenen,
  • Angebote von Gruppenarbeit, Kursen und Unterweisungsstunden,
  • Durchführung von Besuchen und Begleitung bei Ausführung von Gefangenen in seelsorgerlich begründeten Fällen, besondere Krankenseelsorge bei Krankheitsfällen innerhalb der Justizvollzugsanstalt,
  • Beratung und seelsorgerlicher Beistand auch für die Angehörigen der Gefangenen in Partnerschafts-, Ehe- und Familienangelegenheiten im Zusammenhang mit den sich aus der Inhaftierung ergebenden Problemen,
  • Mitwirkung bei der sozialen Hilfe für die Gefangenen und ihre Familien unter Beachtung der Primärzuständigkeit des Sozialdienstes,
  • Seelsorge an Mitarbeitern des Strafvollzuges, unbeschadet der Zuständigkeit des Gemeindepfarrers,
  • Mitwirkung bei der Aus-, Fort- und Weiterbildung der Mitarbeiter im Strafvollzug,
  • Mitwirkung bei der Gewinnung und Betreuung ehrenamtlicher Helfer sowie von Kontaktgruppen im Vollzug,
  • Mitwirkung bei der Öffentlichkeitsarbeit in Gesellschaft und Kirche.
Die Aufgaben und Rechte der Gefängnisseelsorger aus dieser Vereinbarung erstrecken sich auch auf Inhaftierte, die keiner evangelischen Kirche angehören, jedoch seelsorgerliche Betreuung durch einen evangelischen Gefängnisseelsorger wünschen.
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Artikel 5

( 1 ) Die Gefängnisseelsorger werden von der Kirche im Einvernehmen mit der Senatsverwaltung für Justiz des Landes berufen.
( 2 ) Liegen Tatsachen vor, aus denen sich gegen die Person oder die Tätigkeit eines Gefängnisseelsorgers oder einer Gefängnisseelsorgerin schwerwiegende Bedenken gegen den weiteren Dienst ergeben und können diese nicht einvernehmlich zwischen Land, Kirche und dem Gefängnisseelsorger/der Gefängnisseelsorgerin verändert werden, so kann das Land die Abberufung verlangen. Betroffene sind vor einer Entscheidung von der Kirche und von der Senatsverwaltung für Justiz zu hören.
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Artikel 6

( 1 ) Urlaubs- und Dienstbefreiung der Gefängnisseelsorger richten sich nach dem Pfarrerdienstgesetz beziehungsweise der kirchlichen Arbeitsvertragsordnung.
( 2 ) Die Vertretung bei Abwesenheit und die Urlaubsvertretung regeln die Gefängnisseelsorger nach Abstimmung mit der Kirche im Einvernehmen mit dem Anstaltsleiter. Die Krankheits- und Vakanzvertretung regelt die Kirche im Einvernehmen mit dem Anstaltsleiter.
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Artikel 7

In Anbetracht der derzeitigen angespannten Haushaltslage kann eine über die im Staatsvertrag zwischen der Evangelischen Kirche und dem Land Berlin getroffenen Festlegungen hinausgehende Finanzierung der Personal- und Sachkosten nicht erfolgen.
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Artikel 8

( 1 ) Die Kirche ist berechtigt, Visitationen bezüglich der Seelsorge in den Justizvollzugsanstalten durchzuführen.
( 2 ) Im Einverständnis mit der Senatsverwaltung für Justiz beruft die Kirche mindestens einmal jährlich eine gemeinsame Konferenz der evangelischen Gefängnisseelsorger mit Vertretern der Kirche und der Senatsverwaltung für Justiz über Fragen der Anstaltsseelsorge und des Justizvollzuges ein.
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Artikel 9

( 1 ) Zweifels- und Streitfragen sind zunächst zwischen dem Anstaltsleiter und den Gefängnisseelsorgern mit dem Ziel einer Klärung oder Einigung zu erörtern.
( 2 ) Die Gefängnisseelsorger haben das Recht der Beschwerde bei der Senatsverwaltung für Justiz, wenn Schwierigkeiten in der Zusammenarbeit mit der Anstaltsleitung auftreten, die nicht anderweitig behoben werden können. Die Senatsverwaltung für Justiz wird die Kirche über diese Beschwerde alsbald unterrichten, wenn sie sich nicht in der Lage sieht, der Beschwerde abzuhelfen.
( 3 ) Die Senatsverwaltung für Justiz wird eine Beschwerde der Anstaltsleitung über die Tätigkeit eines Gefängnisseelsorgers alsbald an die Kirche weiterleiten, wenn sie diese für begründet hält. Die Kirche bemüht sich, Beschwerden im Gespräch mit den Gefängnisseelsorgern im Beisein eines Vertreters der Senatsverwaltung für Justiz zu klären. Das Ergebnis wird in einem Protokoll festgehalten.
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Artikel 10

Die Vertragsschließenden werden sich bemühen, eine etwa in Zukunft auftretende Meinungsverschiedenheit über die Auslegung einer Bestimmung dieser Vereinbarung einvernehmlich zu klären.
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Artikel 11

( 1 ) Diese Vereinbarung tritt am 10. Januar 2001 in Kraft.
( 2 ) Die Vereinbarung gilt zunächst für die Dauer von fünf Jahren. Sie verlängert sich stillschweigend jeweils um weitere fünf Jahre, wenn sie nicht zwölf Monate vor Ablauf der Frist gekündigt wird.

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1 ↑ Siehe dazu LZ 175 – Richtlinien für die Seelsorge in Justizvollzugsanstalten –.